31.07.2023

„Wie wirst du mit Bauchtanz älter, Margarete?“

Interview mit dem Bundesverband für Orientalischen Tanz.

Im Interview mit Alexandra Rederer vom Bundesverband für Orientalischen Tanz

Yeah! Endlich hab auch ich einen Insta-Account für orientbauchtanz. Im Frühsommer 2023 schrieb mich darüber die Alexandra Rederer vom Bundesverband für Orientalischen Tanz an: Ob ich nicht Lust hätte, für die Sommerausgabe ihres Fachmagazins ein Video-Interview zu geben. Und zwar darüber, wie’s mir beim Älterwerden mit Bauchtanz geht.

Alex ist meine Bauchtänzerinnen-Generation. Genau wie ich hat sie die wilden Neunziger- und Nullerjahre des „deutschen“ Bauchtanzes miterlebt. Heute, am 31. Juli 2023, sind es auf den Tag genau 13 Jahre her, dass ich zusammen mit ihrer damaligen Showgruppe Menara sowie mit Alia Mckenzie-Murdoch vom ZeoT Zürich und Sylka Rubina (Berlin) in Prien am Chiemsee auf einer gemeinsamen Bühne stand.

Und sowas von hatte ich Lust auf unser Interview! Seht euch also an oder lest nach, wie’s mir mit dem bauchtänzerischen Älterwerden geht.

 


Alex: „Seit wann tanzt’n du Bauch, Margarete?“

Ich: „Also bei der Frage hab ich mir erst mal ausgerechnet, wie viel Prozent meines Lebens ich eigentlich schon bauchtanze, Alex. Raus kamen ohne Witz: 66,66 Prozent. Ehrlich, keine Ahnung, wo diese ganze lange Zeit abgeblieben ist … Anfang der bauchtanzverrückten Neunziger hatte ich jedenfalls zum ersten Mal Bauchtanzunterricht genommen. Und 1998 hab ich zum ersten Mal Bauchtanzunterricht gegeben.

Seither unterrichte ich quasi non-stop.“

 

Alex: „Wie hat sich dein Tanz über die Jahre verändert, Margarete?“

Ich: „Wenn ich heute auf diese ganze lange Zeit zurückblicke, dann kann ich ganz deutlich zwei Phasen identifizieren: Die junge, wilde Phase. Da ging’s mir ums Angeschautwerden, da ging’s um Show, um Bühne, um Narzissmus, um Schleier, Shimmies und Pailletten. Da ging’s um Auftritte, ums Schönsein, ums Punk in der Provinz sein.

Und so hab’ ich auch unterrichtet. In dieser Phase meines Bauchtanzlebens ging’s hauptsächlich darum, Bauchtanz vom Auftritt her, performant von innen nach außen zu leben. Da wollte ich die Exotiklischees, wie sich die Menschen in Deutschland Bauchtanz vorstellen, möglichst gut zu bedienen.

Parallel führte ich eine Bauchtanzschule mitten in der Rosenheimer Innenstadt, wo meine Bauchtanzmädels und ich für Auftritte und Shows trainierten. In der Vorbereitung auf dieses Interview hab ich mir die Videos unserer Performances mal wieder reingezogen, Alex, und ich muss sagen, das war einfach ‘ne geile, wilde Zeit.“

 

Alex: „Okay, und was hat sich dann bei dir verändert?“

Ich: „Trotz aller Wildheit begann in der Phase schon der Gedanke ans bauchtänzerische Älterwerden an mir zu nagen. Ich traute unserer Bauchtanzszene einfach nicht zu, dass wir bis zu meiner Rente Strukturen aufgebaut haben würden, innerhalb derer Bauchtänzerinnen auch abseits der Bühne genügend Geld verdienen könnten, um ihre Miete zu bezahlen. Es gibt halt in unserem Nischengenre kein so breites, professionelles Berufsspektrum wie zum Beispiel im Ballett, wo du nach der Profikarriere voll anerkannt in den pädagogischen Bereich wechseln kannst. In der Ballettszene kannst du beim Älterwerden viele alternative Berufe innerhalb deiner Branche ergreifen. Du kannst dann fullblown Choreographin sein, Pädagogin, Influencerin, Intendantin, du kannst ein Opernhaus leiten. Du kannst in Tanzredaktionen arbeiten, you name it.

All diese Berufsalternativen stehen uns im „deutschen“ Bauchtanz strukturell gar nicht zur Verfügung.

In mir formten sich da so Gedanken an Botox, Facelifting und Schönheits-OPs. An Altersarmut. An die Überlegung, was ich im Fall von Krankheit wohl machen würde. Und mit diesen Gedanken habe ich meine Bauchtanzschule im Jahr 2011 dann auch geschlossen und mir ‘nen anständigen, erwachsenen Moneyjob gesucht.“

Alex: „Und da ging die zweite Bauchtanzphase los, korrekt?“

Ich: „Korreeeekt, Alex. Mit diesem beruflichen Shift läutete ich automatisch auch die zweite Phase meines Bauchtanzlebens ein. Ab da mietete ich mich nur noch an ein, zwei Abenden pro Woche in Tanzschulen ein. Meine permanenten Horror-Existenzängste als Künstlerin kamen damit zur Ruhe. Ich selbst kam zur Ruhe.

Und stell dir vor: Von dieser Ruhe profitiere ich – und vor allem meine Tanzschülerinnen – nun auch beim Älterwerden. Meine Arbeit als Bauchtänzerin findet nun nur noch am Dienstag statt, nicht mehr an sieben Tagen pro Woche. Und ich glaub mein Stil ist viel chilliger und innerlicher geworden, weil mir das Künstlersein keine top Bühnenperformance mehr abverlangt. Seit ich mich körperlich nicht mehr exponieren muss, habe ich auch erst wahrgenommen, wie viel Stress die Blicke von außen für mich bedeutet hatten.

All das hat bewirkt, dass ich mich heute in den 90 Minuten Unterricht voll und ganz auf meine Bauchtanzmädels konzentrieren kann – und dass ich diese Zeit nicht schon für die nächsten Auftritte verwirtschaften und verhektiken muss. Die Blicke, die im Unterricht auf mir ruhen, sind wohlwollend, lächelnd, nicht abwartend, bewertend, abwertend, erwartend, shamend. Du weißt, was ich meine. Für diese Art von Blicken wollte ich nicht mehr zur Verfügung stehen.“

Alex: „Hat sich da auch deine Sicht auf deine Tanzschülerinnen verändert?“

Ich: „Mhm. In dieser zweiten Phase meiner Bauchtanzbiographie habe ich die kostbare Zeit meiner Schülerinnen als Wert an sich in den Mittelpunkt gerückt. In meinem Dienstagsunterricht eröffne ich einen Safespace, in dem wir uns (sorry, jetzt wird’s ein bisschen pathetisch) den gigantisch großen Kosmos der kleinen Erfolge gönnen.“

Alex: „Haben sich mit deiner Phase II auch die Inhalte deines Unterrichts verändert?“

Ich: „Ja voll. Heute kann ich mich so sehr für meine Bauchtanzmädels freuen, wenn sie zum Beispiel die Augen schließen und voller Hingabe in eine Bewegung eintauchen. Wenn sie erleben, dass Bewegungsfreude von Qualität und Würde lebt. Wenn wir unsere Moves für unsere Rückengesundheit einsetzen und damit echte Selbstfürsorge praktizieren. Wenn wir unsere körperlichen Grenzen respektieren, statt uns in olympische Bewegungen und Bandscheibenvorfälle reinzubrettern. Wenn wir im Unterricht nicht mehr die Zähne zusammenbeissen vor lauter Perfektion, oder nach links und rechts schielen, wer wohl die Beste und wer die Schlechteste in der Klasse ist. Sondern wenn wir einfach tanzen.“

Alex: „Famous last words?“

Ich: „Kicher, famous last words … Also, ich freu mich auf eine Gesellschaft, in der Bewertung, Abwertung, Vergleichen, Konkurrenzgefühle und Bodyshaming nicht mehr an der Tagesordnung sind. Diese Haltung in meinem kleinen Wirkungskreis zu enabeln – das seh ich als meine Aufgabe beim bauchtänzerischen Älterwerden.“

Vielen Dank für dieses Interview und eure tolle Arbeit, liebe Alex, liebe Leute vom Bundesverband für Orientalischen Tanz!


 

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