Glück ist … eine eigene Bauchtanzschule
Tanzraum elMashrabiya – so hieß die schnuffige Bauchtanzschule, die ich mit Michaela Wimmer zwischen 2005 und 2011 im Künstlerhof Rosenheim im historischen Fäberviertel leitete.
Der Tanzraum elMashrabiya wird in meiner Erinnerung immer für einen wunderbaren, intensiven und kreativen Lebensabschnitt stehen. In dieser Zeit entstanden zum Beispiel drei fette, abendfüllende Bauchtanzshows: 2006 präsentierten wir „elMashrabiya & friends” mit Nazir Merzo und Michaelangelo, 2008 die Tanzshow MOSAIK und 2010 AQUARELL im Kesselhaus in Kolbermoor.
Wir choreographierten und trainierten wie die Wahnsinnigen. Unsere Ensembles tanzten auf jedem Stadtfest. Gleich mehrere Male traten wir auf der großen Bühne der Rosenheimer Landesgartenschau auf. Im Rahmen von H. J. Doetschs Kulturstrasse tanzten wir an einem lauen Sommerabend unter den Arkaden in der Fußgängerzone. Bauchtanzdozentinnen und -dozenten aus München, Salzburg, Berlin, aus Österreich und der Schweiz besuchten uns, und füllten das elMashrabiya mit Hips, Drops, Shimmies und vielen Stunden guter Laune.
Wo „orientbauchtanz“ draufsteht, ist auch „elMashrabiya“ drin.
Weil in orientbauchtanz natürlich auch heute noch jede Menge elMashrabiya steckt, möchte ich diese tolle Phase des Rosenheimer Bauchtanzes in einem kleinen Blogartikel verewigen. Wie kam es denn überhaupt zu dem verflixten Namen, der vielen Rosenheimern so große Mühe beim Aussprechen bereitete?
Ganz einfach. Im Jahr 2002 hatten wir in Ulm Momo Kadous’ unvergessliche Tanzshow „7000 Jahre Ägypten – el Mashrabiya” gesehen. Der beim Lesen etwas eckige Name el mashrabiya (arabisch مشربية) bezeichnet ein im Nahen Osten traditionelles Architekturstilmittel, bei dem die Fenster von Häusern und Palästen mit aufwendig geschnitzten oder gedrechselten Holzelementen verschönert und funktional aufgewertet werden.
Sie schützen die Privatsphäre vor Blicken von außen, schirmen die Sonneneinstrahlung ab und malen mit dem einfallenden Licht phantastische, kaleidoskopartige Muster in die Innenräume. Insofern erlauben sie zwar neugierige Blicke von innen nach außen – aber keine von außen nach innen.
Michi und mir gefiel diese poetische Idee von den Schmuckfenstern ziemlich gut. Denn obwohl unsere Tanzschule ebenerdig an einer vielfrequentierten Passage gelegen war und wir viele Glasflächen nach außen hatten, konnte man von draußen beim Vorbeigehen nur silhouettenhafte Bewegung erkennen.
Faszinierend war, dass sich ohnehin nur wenige Leute trauten, länger stehen zu bleiben und uns zuzusehen. So fühlten wir uns aufgrund der besonderen, offenen und doch geschlossenen, irgendwie durchlässigen Innen-Außen-Atmosphäre des Raumes immer geschützt und zuhause. Unser Raum war quasi von einer magischen mashrabiya-Schutzschicht umgeben – und damit stand der Name unserer Bauchtanzschule fest.
Jeder Tänzer hat eine Mashrabiya-Membran
Der zweite Aspekt, der uns an dem Namen gefiel, war ein tänzerischer. Denn wir philosphierten, dass doch jeder Tänzer beim Tanzen gleichzeitig etwas Subjektives und etwas Objektives beantworten müsse: Einerseits spürt der Mensch seine Tanzbewegungen im eigenen Körper; wenn er die Augen während des Tanzens schließt, dann tanzt er nur für sich selbst, wird sich selbst zum Instrument, wird zum Subjekt seines eigenen Empfindens.
Im Bühnen- und Showtanz kommt mit der Perspektive der anderen auf den Tanzenden die Performanz ins Spiel; der Tänzer tanzt dann gleichzeitig für sich selbst und wird aber auch zum Objekt der anderen. Das Publikum betrachtet => Nurejew. Die Passanten in der Fußgängerzone sehen => der Performance des Breakdance-Strassenkünstlers zu. Auf YouTube und im TV bewundern wir => spektakuläre Performances.
Dieser Aspekt von Tanz hat mit Bühnenregeln, Raum- Fuß-, Arm- und Kopfpositionen, Disziplin, Körperspannung, Ausstrahlung, Kommunikation, trainierten Muskeln, Musikgefühl und Choreographiegespür zu tun. Und an der Einhegung all dieser komplexen Aspekte arbeiten wir ab der ersten Minute Bauchtanztraining.
Irgendwo zwischen dieser inneren und der äußeren, der subjektiven und der objektiven Wahrnehmung befindet sich eine Membran, eine mashrabiya, welche das eine vom anderen trennt und dennoch durchlässig ist. Durchlässig für Gedanken, für Veränderung, für Konzept, für Ego und Fremdes, für Verbesserung, für Wandlung, für Kommunikation. Auf unserer elMashrabiya-Webseite hieß das damals so: „Die Auseinandersetzung mit Bauchtanz, Bewegung und Musik macht Grenzen weich. elMashrabiya wird zum Symbol für Sinnlichkeit, Harmonie und innere und äußere Veränderung.“
Tanz ist viel mehr als Bewegung.
Wenn wir tanzen, bewegen wir nicht nur unseren Körper, sondern wir setzen innerliche Prozesse in Gang. Wir setzen uns mit unserem Potenzial, aber auch mit unseren Beschränkungen auseinander, luchsen unserem Set von Möglichkeiten Schritt für Schritt Erfolge ab und bleiben nie stehen.
Den Tanzraum elMashrabiya gibt es seit Juli 2011 nicht mehr im Künstlerhof. Die Idee eines Ortes, an dem der Orientalische Tanz in Rosenheim seine Heimat findet, habe ich aber gut in meinem Herzen verwahrt. Sie heißt jetzt orientbauchtanz – und ich rolle sie immer dort aus, wo ich Menschen finde, die meine Art zu unterrichten schätzen. Danke an meine Bauchtanzmädels für sechs unvergessliche Jahre Tanzraum elMashrabiya – und herzlich willkommen bei orientbauchtanz!