Warum wir alle Rückenschmerzen haben?
Vielleicht auch aus Gründen wie folgendem: Vorletztes Wochenende war ich auf dem Rosenheimer Stadtfest unterwegs. Ein wahrer Sommernachtstraum, dieser Abend. ✨ Sternenklarer Himmel. Ein lyrischer Mond. Musik, kleine Bühnen, Tanz, Sound, entspanntes Lächeln überall in der City. Kurz vor Showdown landeten wir an der Open-Air-Tanzfläche auf der Piazza vor unserer Stadtbibliothek. Auch da lässiger Beat in der Luft, alle glücklich, alle am Tanzen. 🥰🥰
Wie ich da ganz verzaubert stehe …
und das pulsierende Szenario betrachte, schnappe ich auf, wie die Umstehenden sich über jemand lustig zu machen beginnen. Eine schlanke, nett aber verhärmt aussehende Frau Mitte Fünfzig bewegt sich ausgreifend mit geschlossenen Augen zur Musik. Ihre Bewegungen sind weit weg von instagrammy. Sie tanzt etwas eckig, ungelenk uncool. Und offensichtlich provoziert ihre aus dem Ästhetikprotokoll des Jahres 2023 gefallene Motorik den Spott der Leute.
Was ich mir in dem Moment dachte?
„F*CK! Wie ich diese Frau beneide!“
Wie gern wäre ich da an ihrer Stelle gestanden,
versunken in Kontemplation, und hätte keinen Cent auf das gegeben, was Wildfremde über mich sagen. Wie gern wäre ich – wie sie – in dieses shakespear‘sche Traumbild aus Melodie und Abendstimmung hineingeschmolzen. Aber ich hab‘s mich nicht getraut. Ich hatte Angst, gesellschaftlich bewertet, abgewertet, in meiner Performance, für meinen Körper, für meine Koordination, für meine Bewegungsfähigkeiten beurteilt zu werden.
Genau diesen bewegungsfeindlichen Spirit tragen wir auch in unseren vielsitzenden Joballtag hinein. Wir alle limitieren tagtäglich Menschen in ihrer natürlichen Bewegungsfreude. Wir stigmatisieren das, was nicht mehr in unsere viel zu eng gesteckten Vorstellungen von Ästhetik hineinpasst. Denn welches Szenario soll schon entstehen, wenn wir ungefragt Haltungsnoten an Menschen in Bewegung verteilen, wenn wir verlangen, dass nur noch Olympionik:innen, Akrobat:innen, professionelle Tänzer:innen Bewegung öffentlich performen dürfen? Nun, dann nähren und stabilisieren wir ein Gesellschaftsklima der Unbeweglichkeit.
Bewegungsfreude shamen führt zu Rückenschmerzen
Wir, die 80 % motorisch auch nicht gerade supertalentierten, vielsitzenden Normalos, schaden uns damit selbst. Denn so lange wir andere davon abhalten, sich in der Öffentlichkeit bewegen zu dürfen, werden auch wir selbst davon abgehalten, uns in der Öffentlichkeit bewegen zu dürfen. Wir treiben uns damit selbst in Rückenschmerzen hinein.
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